KÜNSTLER:INNEN

Die Schweizer Malerin Gertrud Debrunner gehörte als Mitglied der Künstlervereinigung »Allianz« zur sogenannten »Zweiten Avantgarde«, die vor und nach dem Zweiten Weltkrieg der modernen Malerei in der Schweiz zum Durchbruch verhalf. Für ihre eigene künstlerische Entwicklung war neben dem kulturellen und politischen Zeitgeschehen eine tiefe Naturverbundenheit zentral.

Ihre Malerei begann in traditionellem, naturalistischen Stil. Ab 1936 setzte eine intensive Auseinandersetzung mit der Psychologie C. G. Jungs ein, aus der eine Art bildnerisches Tagebuch entstand, in dem sie andere Inhalte, Motive und Ausdrucksformen künstlerisch erprobte. 1945 fand sie durch ein Wachtraumerlebnis – die sogenannte »Metamorphosenvision« – zu ihrer eigenen Form der Abstraktion, in der auch die früh formulierte »Liebe zur Erde« ihren Ausdruck fand.

Das künstlerisch Bedeutsame des Erlebnisses war die Art des Sehens, in der der Körper eine wichtige Rolle spielte. Man könnte es als aisthesis bezeichnen, als Wahrnehmung in ihrer ursprünglichen griechischen Bedeutung, in der Bewusstsein, Empfindung, Gefühl, Sinn und Erkenntnis gleichermassen eingeschlossen sind.

Nun schuf sie Bilder, in denen sowohl eine Naturbeobachtung als auch ein seelisches Erleben ausgedrückt war, wie zum Beispiel das Gemälde Naturgeflecht: Wasser im Gestein, das noch zwei weitere Titel hat: Die blaue Tiefe und Zentrierung der Erde auf die Durchsicht ins Jenseits.

Parallel dazu setzte sich Gertrud Debrunner ab 1945 intensiv mit dem Thema Weiblichkeit auseinander. Wie ihre Zeitgenossin Meret Oppenheim kämpfte sie in und mit ihrer Kunst um die volle Anerkennung der Frau und ihrer geistig-schöpferischen Fähigkeiten. Auch dieses Thema fand  Ausdruck in künstlerischen Werken, u.a. im Bilderzyklus der Vogelgöttin (1950/51).

Gertrud Debrunner entwickelte für sich eine Vorstellung von Kunst als Individuation und als »Bewusstwerdungsprozess«. Aus dieser Haltung entstanden in einer Art letzten Konsequenz, in der das äussere Sehen hinter ein inneres Wahrnehmen zurücktrat, in den 1970-er Jahren die sogenannten »Blindzeichnungen«. Mit geschlossenen Augen legte sie eine Zeichnung an und bearbeitete diese dann mit geöffneten Augen weiter oder aber beliess sie in ihrer Ursprünglichkeit.

Was die Künstlerin dabei – wie auch in den früheren Arbeiten – interessierte, war die Grenze zwischen Innen- und Aussenwelt, aber auch Materie und Geist. Der Kunsthistoriker Thomas Schmutz sprach von der »Membran«, die sie in Vibration zu bringen gesucht habe.*

Es ist tatsächlich nicht der trennende Aspekt der Grenze, sondern ihre Durchlässigkeit, die sie interessierte, bildnerisch formuliert zum Beispiel in der Durchdringung, 1971.

Gertrud Debrunner hat ein reichhaltiges Werk hinterlassen und war als Mensch eine faszinierende und berührende Persönlichkeit. Ihr Werk und ihr künstlerisches Anliegen sind es wert, vor der Vergessenheit bewahrt zu werden. Sie haben das Potenzial, dass aus einer »vorsichtigen Begegnung, [eine] nachhaltige Begeisterung«** wird.

*Vorwort in »Kunst auf der Grenze«, Scheidegger & Spiess: Zürich 2014.
**Stefan Kunz im Vorwort zum Ausstellungskatalog, Gertrud Debrunner, Aargauer Kunsthaus Aarau, 1990.

Gertrud Debrunner, Naturgeflecht: Wasser im Gestein; Die blaue Tiefe; Zentrierung der Erde auf die Durchsicht ins Jenseits, 1946, 675 x 540 mm, Öl auf Leinwand, Privatbesitz, WV Nr. 1946.52 (Abb. mit freundlicher Genehmigung der Eigentümer).
Gertrud Debrunner, Durchdringung, 1971, 550 x 850 mm, Öl auf Leinwand , Privatbesitz, WV Nr. 1971.02.
Gertrud Debrunner, Blindzeichnung, Zwischen zwei Gefahren, 1975, 105 x 150 mm, schwarzer und grauer Filzstift auf Papier, Privatbesitz, WV Nr. 1975.37.

«Ich glaube an eine positive Werte schaffende Kunst»

Der Schweizer Maler und Bildhauer Burkhart Hilty ist fast 70 Jahre alt, als das Kunstmuseum Thun seine Arbeit mit einer ersten retrospektiven Schau würdigt. Anderthalb Jahre später, am 11. November 2008, verleiht ihm die Stadt Thun den grossen Kulturpreis.

Zögerliche Anfänge dieser späten Anerkennung gibt es Anfang der 1980-er Jahre, unter anderem mit dem öffentlichen Auftrag zu einer Skulptur für ein Schulgebäude in Wichtrach (Abb. unten) und 1986/87 mit einer Sonderschau seiner China-Arbeiten an der Weihnachtsausstellung im Kunstmuseum Thun. 1990 tätigt dieses dann einen ersten Ankauf mit einem seiner weissen Häuser-Objekte, die als Thema »Behausung« in vielseitigen Variationen seit 1987 entstehen. Mit dem Umzug seines Ateliers aus einem Bauernhaus in Jaberg ins SELVE-Areal in Thun erfolgt 1992 ein weiterer wichtiger Schritt. Hilty wird ein Thuner Künstler, der regionale Bekanntheit und schliesslich öffentliche Anerkennung erlangt.

Am 28. Juni 2015 stirbt Burkard Hilty im Alter von 86 Jahren. Er hinterlässt ein umfangreiches Werk aus mehreren hundert Bildern und dreissig Skulpturen […].

Hiltys künstlerische Tätigkeit ist geografisch in der Region Thun/Bern verortet. Stilgeschichtlich bewegt er sich mit vielen seiner Arbeiten im Kreis der geometrischen Abstraktion. Er hat aber auch, wie andere Künstler des 20. Jahrhunderts, eine Entwicklung vom figürlich-abbildhaften zur Abstraktion vollzogen. Zudem ist er ein Suchender oder Finder neuer Formen und Techniken, dem die Wahrhaftigkeit seiner Kunst wichtiger ist als deren Wiedererkennungseffekt. – Hinter der vielseitigen Erscheinung seiner Werke gibt es jedoch eine künstlerische Absicht, die sich über die Jahre immer deutlicher herauskristallisiert.

Hilty ist ein ausserordentlich belesener Künstler, der angefangen bei der NZZ über aktuelle Literatur sowie grosssen Klassikern der Weltliteratur ebenso die Schriften von Philosophen wie Heidegger, Derrida, Hume, Montaigne oder Platon liest und natürlich Abhandlungen über Künstler sowie deren Biographien oder eigene Texte. Manches fliesst in seine künstlerische Arbeit ein, bleibt aber meist unentdeckt. Das viele Lesen ist für Hilty aber auch eine Suche nach Seelenverwandten und damit vielleicht der Bestätigung, »im grossen Wurzelwerk der künstlerischen Tätigkeit ein Strang zu sein«; ein »Verflochtensein« über Zeit und Raum hinweg, das ihm eine Geborgenheit im Geistigen gibt. Dabei zieht er die Dichter den Malerkollegen unter anderem deshalb vor, weil ihre – sprachlichen – Bilder erst noch umgesetzt werden müssen.

Auch in der Kunstgeschichte kennt sich Hilty bestens aus. Wo er Zitate macht, Gestaltungselemente oder Paradigmen anderer Künstler oder Kunstrichtungen aufnimmt, zum Beispiel bei Marc Rothko, Agnes Martin,  Alfred Escher, der Minimal Art oder der Konkreten Kunst, verwendete er diese bewusst und ohne zu kopieren. Die optische Nähe ist vielleicht als Dialog zu verstehen, der jedoch nicht über seine eigene Bildfindung und -intention täuschen sollte.

Susanne Lerch, Text zum Ausstellungskatalog »Burkhard Hilty. Grosse Retrospektive in der Galleria il Tesoro«, Altendorf, 28. November 2015 bis 30. Januar 2016, hier aus der Einführung.

Burkhard Hilty im Atelier (Foto von Christian Helmle, Abb. aus dem Katalog zur Ausstellung, Titelseite. Mit freundlicher Genehmigung der Galleria il Tesoro).
Burkhard Hilty, Skulptur, 1982, Corten-Stahl. Primaschule Stadelfeld, Gemeinde Wichtrach, 400 x 130 x 130 cm (Abb. aus dem Katalog zur Ausstellung, Titelseite. Mit freundlicher Genehmigung der Galleria il Tesoro).

Als Hintergrund für meine Website durfte ich ein Gemälde meines Vaters, Hans Lerch (*1941) verwenden: »Das grosse runde Gartenbild«, 1976, Öltempera auf grundierter Hartfaserplatte, Durchmesser ca. 100 cm, unsigniert.

Das Bild gehört zu seinem frühen Schaffen und zeigt die Wiese hinter unserem kleinen alten Bauernhaus am Dorfrand von Oberhallau, in dem ich meine ersten Lebensjahre verbracht habe.

Mein Vater erklärt, dass das Gemälde eine geheimnisvolle Entstehungsgeschichte habe und das Komplement zum »Himmelsbild« sei, das er 1973 in der gleichen Technik malte. Letzteres zeigt den Blick ins Klettgau vom Schleitheimer Randenturm aus. Er gab ihm den Titel »Wie aus einem Raumschiff«. Beide Werke befinden sich in Privatbesitz.

Zum »Gartenbild« äussert er sich wie folgt: »Ich erachte es als enorm reichhaltig und in vielen Details gelungen – aber nicht ganz als Gesamtkomposition, von daher nicht als abgeschlossen. Man muss manchmal aufhören, bevor man das Eingefangene wieder kaputt macht. Darum stellte ich es nie aus und fand keinen endgültigen Titel.«

Das Gesamtwerk meines Vaters umfasst sowohl genau beobachtete Naturstudien, die er pleinair gemalt hat, als auch ganz abstrakte Werke sowie Porträts und Selbstporträts. Gemalt hat er in unterschiedlichen Techniken. Seine späteren Arbeiten sind nicht zuletzt aufgrund einer Sehschwäche kompakter, weniger impressionistisch und auf ganz andere Weise von grosser Ausdruckskraft.

Seine letzte Ausstellung liegt längere Zeit zurück. Eine persönliche Website ist im Aufbau.

Hans Lerch, Das grosse runde Gartenbild, 1976, Öltempera auf grundierter Hartfaserplatte, Durchmesser ca. 100 cm, unsigniert, Privatbesitz.
Hans Lerch, Wie aus einem Raumschiff, 1973, Öltempera auf grundierter Hartfaserplatte, Durchmesser ca. 100 cm, unsigniert, Privatbesitz.

»In Bearbeitung«